Fallbericht in der Pharmazeutischen Zeitung vom 10.12.2021
Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 kann dem Immunsystem entkommen. Zwei Covid-19-Impfdosen reichen ersten Daten zufolge nicht für einen Schutz gegen den Erreger aus, drei offenbar auch nicht, wie ein Fallbericht von deutschen Reisenden in Südafrika jetzt andeutet. Beruhigend: Die Erkrankungen verlaufen bei dreifach Geimpften mild.
Noch ist es zu früh, um eine zuverlässige Risikoabschätzung machen zu können, die mit dem Auftreten der neuen besorgniserregenden SARS-CoV-2-Variante Omikron assoziiert sind. Allerdings scheinen sich erste Befürchtungen, die indirekt aus den bekannten Strukturdaten des Spike-Proteins abgeleitet wurden, zu bestätigen. Eine dieser Befürchtungen bezog sich auf die Möglichkeit, dass Omikron einen etablierten Immunschutz effektiv zu unterlaufen vermag.
Ein eindrucksvolles Fallbeispiel für die Korrektheit dieser Befürchtung wurde nun von Constanze Kuhlmann von der Abteilung für Hand-, Plastische und Ästhetische Chirurgie der LMU-München, sowie von Kollegen verschiedener südafrikanischer Wissenschaftseinrichtungen im frei zugänglichen Repositorium »Social Science Research Network (SSRN)« vorab publiziert.
Sieben Durchbruckinfeltionen bei deutschen Südafrika-Besuchern
Die Wissenschaftler schildern den Fall einer Gruppe von sieben deutschen Südafrika-Reisenden. Die fünf Frauen und zwei Männer hatten alle drei Dosen eines SARS-CoV-2-Impfstoffs erhalten.
Sechs der sieben Personen waren vollständig mit Comirnaty®, dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer, geimpft. Fünf von ihnen hatten im Oktober oder Anfang November 2021 eine dritte (Auffrischungs-)Dosis Comirnaty erhalten, und eine Person war Anfang Oktober mit einer vollen Dosis (100 µg) Spikevax® von Moderna geboostert worden. Die siebte Person war zunächst mit einer Dosis Vaxzevria® , dem Vektoimpfstoff von Astra-Zeneca, geimpft worden, gefolgt von einer Dosis Comirnaty zur Vervollständigung der Grundimmunisierung und einer Auffrischungsdosis desselben mRNA-Impfstoffs. Keiner von ihnen war in der Vergangenheit an Covid-19 erkrankt gewesen.
Vom 30. November bis zum 2. Dezember 2021 traten bei den Reisenden leichte Atemwegssymptome auf. Es wurde daraufhin auf Basis eines nasopharyngealen Abstrichs eine SARS-CoV-2-Infektionen durch einen qPCR-Test bestätigt. Zudem wurden Viren isoliert und sequenziert. Danach wurde in fünf Fällen bestätigt, dass die Infektion von der Omikron-Variante verursacht wurde. In zwei Fällen schlug die Sequenzierung fehl. Aber aufgrund ihrer sehr engen epidemiologischen Verbindung zu den anderen Fällen gehen die Wissenschaftler auch in diesen Fällen davon aus, dass sich die Patienten mit der Omikron-Variante infizierten.
Die Viruslast reichte von 1,41 x 104 bis 1,65 x 108 virale RNA-Kopien pro ml Tupfereluat, mit den höchsten Durchschnittswerten am Tag vier nach Auftreten der Symptome.
Nur relaviv mild Krankheitsverläufe
Alle Patienten dokumentierten ihre Symptome, darunter Halsschmerzen (85,7 Prozent), Müdigkeit (71,4 Prozent), Kopfschmerzen (57,14 Prozent), trockener Husten (42,9 Prozent), Druck in der Brust, Druck in den Nebenhöhlen, Schnupfen und Übelkeit (28,6 Prozent).
Im weiteren Verlauf der Infektion entwickelten alle Personen einen trockenen Husten. 85,7 Prozent verspürten einen Druck auf die Nasennebenhöhlen und 71,4 Prozent klagten über eine eine Rhinitis. Anosmie und Dysgeusie wurden nur vorübergehend bei einem Patienten beobachtet. Fieber wurde von 14,3 Prozent der Patienten angegeben.
Am Ende des Beobachtungszeitraums (Tag sieben) waren trockener Husten (100 Prozent), Schnupfen (71,4 Prozent), Halsschmerzen (57,1 Prozent) und Kurzatmigkeit (42,9 Prozent) die vorherrschenden Symptome, wobei die Schwere der Symptome allgemein abnahm. Insgesamt bezeichneten alle Patienten ihre Symptome als leicht oder mittelschwer. Keiner musste während des Beobachtungszeitraums ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Sauerstoffsättigung im Blut blieb ausnahmslos im Normalbereich.
Dies deutet darauf hin, dass eine vollständige Impfung, gefolgt von einer Auffrischungsdosis, auch im Falle einer Infektion mit Omikron immer noch einen guten Schutz gegen schwere Covid-19-Infektionen bietet. Der Beobachtungszeitraum ist jedoch kurz und schließt eine spätere Verschlechterung oder Langzeitfolgen von Covid-19 nicht aus.
Vorsicht ist das Gebot der Stunde
»Durchbruchsinfektionen gibt es sehr viele. Was wir nicht wussten ist, dass auch eine Booster-Impfung mit Biontech/Pfizer das nicht verhindert«, sagte Professor Dr. Wolfgang Preiser, der Seniorautor der Publikation dem »Tagesspiegel«. »Das darf man natürlich nicht falsch verstehen, dass die Impfung nicht helfe. Im Gegenteil: Das zeigt nur, dass auch die bestmögliche Impfung offensichtlich nicht ausreicht, um eine Infektion zu verhindern – was wir ja schon geahnt haben«, mahnt Preiser zugleich.
Biontech und Pfizer arbeiten an einem an Omikron angepassten Impfstoff. Es ist aber noch nicht sicher, ob er tatsächlich benötigt wird. Bis zur Verfügbarkeit eines etwaigen angepassten Impfstoffs sei die Booster-Impfung das einzige, das gegen Omikron helfe, sagte Preiser gegenüber dem Tagesspiegel. »Aber man muss sich bewusst sein, dass auch eine Booster-Impfung eine Infektion nicht zu 100 Prozent verhindert. Sprich: Man muss Vorsichtsmaßnahmen weiterhin einhalten.«